Hildegunn Øiseth Quartet am 16.11.24 ab 20 Uhr im Kulturforum Schwimmhalle Schloss Plön
Garden on the Roof
Hildegunn Øiseth: Trumpet, Bukkehorn, Vocals / Espen Berg: Piano / Magne Thormodsæter: Bass / Per Oddvar Johansen: Drums / + Special Guest Nils-Olav Johansen: Guitar
Um die 1966 im norwegischen Kongsvinger geborene Jazztrompeterin Hildegunn Øiseth zu verstehen, muss man wissen, dass sie gerne Musikforschung in eigener Sache betreibt. In den 1990ern war sie nach ihrem Musikstudium Trompeterin der schwedischen Bohuslän Big Band, bevor sie für zwei Jahre nach Südafrika ging. Dort stieg sie nicht nur tief in den Township Jazz und die traditionelle Musik rund um Kapstadt ein, sondern begann auch zur Musik der Samen, dem indigenen Volk im Norden Skandinaviens, zu recherchieren. Dabei fand sie heraus, wie ähnlich deren Musik ist mit der traditionellen in Südafrika.
Während einer Reise durch Pakistan suchte Øiseth nach Gemeinsamkeiten zwischen den Ragas dort und den Skalen, die typisch sind für die Folklore in Norwegen. Bei einer Sufi-Veranstaltung in Pakistan ist sie fündig geworden und hat die Verbindung zwischen diesem Land in Südasien und ihrer Heimat im Norden Europas entdeckt: das Ziegenhorn, das in Pakistan auf Sufi-Zeremonien gespielt und in Norwegen als Signalhorn von Schäfern geblasen wird.
In gewisser Weise hat Øiseth einerseits den dunkel-archaischen „Cry“ des Ziegenhorns domestiziert, um es im Kontext ihres Modern Jazz zu blasen. Andererseits will sie die Trompete als eine zeitgenössische Bauart des Ziegenhorns verstanden wissen und verfremdet deren Klang gerne auch durch allerlei Effektgeräte, die man sonst nur von der E-Gitarre kennt, um so emotional und tiefgründig zu klingen wie auf dem Bukkehorn, wie es in Norwegen genannt wird. Mittlerweile spielt sie beide Instrumente mit einer Selbstverständlichkeit und Geläufigkeit in jeder Besetzungsgröße.
Die Gründung ihres Quartetts ist einem Hinweis des norwegischen Toningenieurs Jan Erik Kongshaug geschuldet. Der hatte Øiseth irgendwann einmal gefragt, warum sie noch nie mit einem Quartett im Studio gewesen sei. Damals sind ihr die Vorteile dieser Besetzung für sie als Trompeterin noch nicht so deutlich gewesen – wie homogen und harmonisch sich zum Beispiel der Ton ihres Blechblasinstruments mit dem holzig-warmen Klang einer Rhythmusgruppe aus Piano, Bass, Schlagzeug mischt, wie diskursiv und eloquent in dieser Besetzung improvisieren lässt.
Nach der ersten Veröffentlichung 2011, „Stillness“, ist das Quartett die Besetzung ihrer Wahl geworden. Zu viert kann Øiseth ihre ästhetischen und stilistischen Vorlieben ausleben, nach Herzenslust lassen sich ihre Vorstellung eines modernen Jazz mit den Musikkulturen der Welt und der Folklore Norwegens und Skandinaviens kombinieren. Und mit ihrem Landsmann Espen Berg hat sie einen Pianisten an der Seite, der ihre fanfarenartigen Themen auf der Trompete und dem Bukkehorn und ihre dynamisch ausdifferenzierte Improvisationskunst harmonisch adäquat zu grundieren versteht.
Für ihr neues Quartettalbum „Garden On The Roof“ hat Øiseth die Parameter ihrer Jazzmusik noch verfeinert. Macht sie im Opener „Prelude to Wakeing“ im freien Dialogisieren mit dem Drummer Per Oddvar Johansen und Berg deutlich, dass das Ziegenhorn längst integrales Instrument ihrer Improvisationsmusik geworden ist, so treibt sie im folgenden „Luringen“ ein raffiniertes Vexierspiel. In Kombination mit Øiseths textlosem Gesang, einer pendelnden Harmonik und einem fast schon tänzelnden Groove vom Bassisten Magne Thormodsæter und Johansen entwickelt sie erst auf dem Ziegenhorn und dann auf der Trompete eine schlichte und singbare Melodie, wie man sie oftmals in den Volksliedern Skandinaviens findet.
Ihre Lust am Vexierspiel zeigt sie noch einmal, als sie den Gitarristen Nils-Olaf Johansen als Gast in ihr Quartett holt. Lässt sich Øiseth in „Pups and Cups“ auf ein freies Spiel der improvisatorischen Kräfte mit dem Gitarristen ein, so soliert Johansen über die Akkorde des Titelstücks fast schon klassische Single-Note-Lines auf seiner Gitarre, während er in „In Limbo“ mit der Trompeterin ein oszillierendes Zwiegespräch führt.
Dass Øiseth auch eine politische Künstlerin ist, zeigt sie am Schluss von „Garden On The Roof“. Fordert sie in „About Pieace“ dazu auf, die vielen kriegerischen Konflikte auf der Welt differenziert zu betrachten und die Opfer aller Parteien zu sehen, so möchte sie mit ihrer „Refugee Anthem“ den geflüchteten Menschen eine Stimme geben, die auf dem Weg in eine bessere Zukunft unbekannt gestorben sind; ein starkes Statement jedenfalls von Hildegunn Øiseth und den Musikern ihres Quartetts.